Nach der heutigen Pressekonferenz des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses Hanau, Marius Weiß (SPD), zur Zwischenbilanz des Ausschusses zog auch die SPD-Fraktion im hessischen Landtag ein Resümee: Für uns als SPD-Fraktion war und ist es im Untersuchungsausschuss weiterhin besonders wichtig, den Angehörigen und Überlebenden schnell Gehör zu verschaffen und sie bei ihrer Forderung um Aufklärung zu unterstützen. Aus den Aussagen der Angehörigen und Überlebenden sind für uns wichtige Erkenntnisse hervorgegangen:
Der Umgang mit den Opfern, den Überlebenden und ihrer Angehörigen muss verbessert werden. Die Maßnahmen der Behörden in der Tatnacht, aber auch danach sind unzureichend gewesen. Alle Angehörigen und Überlebenden hatten bemängelt, dass sie nicht richtig aufgeklärt und auch mit der Bewältigung der Situation im Stich gelassen worden sind. Die Opferbegleitung und – betreuung muss künftig in professionelle Hände gelegt werden.
Die bisher vernommenen Sachverständigen zur Einsatztaktik hatten das Bild einer Überforderung von Einsatzkräften und Behörden bestätigt und immer wieder den Personalmangel betont. Der Personalmangel ist – bildlich gesprochen – der Anfangsstein gewesen, der weitere Steine einer Fehlerkette ins Rollen gebracht hatte.
Darüber hinaus muss das Waffenrecht verschärft werden. Waffen gehören nicht in die Hände von psychisch kranken Menschen und nicht in die Hände von Rechtsextremen. Die Aufbewahrungsfristen von Daten bei den Gesundheitsämtern müssen verlängert werden, insbesondere betreffend festgestellter Diagnosen psychischer Erkrankungen. Nur so ist es den Waffenbehörden durch ein entsprechendes Auskunftsverlangen möglich, von psychischen Erkrankungen Kenntnis zu erlangen und gefahrenabwehrend tätig zu werden.
Die Zusammenarbeit und die Kommunikation zwischen den zuständigen Behörden muss weiter verbessert werden. Zudem sollen Dokumentationsstandards verpflichtend eingeführt werden, um die getroffenen Maßnahmen transparenter zu machen und ggf. eine Kontrolle dieser zu ermöglichen.
Es muss eine neue Fehler- und Führungskultur vom verantwortlichen Minister geschaffen werden, beginnend bei den Führungskräften sowie für alle Bereiche der Sicherheitsbehörden.
Darüber hinaus ist für die SPD-Fraktion weitere Aufklärung folgender Bereiche von besonderer Bedeutung:
Das Verhalten der Waffenbehörde des Main-Kinzig-Kreises um die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Täters. Der Notruf, insbesondere dessen Erreichbarkeit und die Abläufe. Der Notausgang. Vor dem Hintergrund bedauert die SPD-Fraktion, dass das laufende Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Mitarbeiter der Waffenbehörde des Main-Kinzig-Kreises die Aufklärung in diesem Bereich beeinträchtigt.
Klärung in der Frage, wann der Generalbundesanwalt in der Tatnacht die Ermittlungen an sich gezogen hat.
Stellungnahme des Generalbundesanwalts zum Grad der Schwärzungen der Akten, sowie dem Ausschuss offenkundig noch nicht vorgelegte Videodateien. Dieses Verhalten ist mehr als befremdlich. Die SPD-Fraktion führt weitere, dem Untersuchungsausschuss nicht vorliegende Erkenntnisse, so zum Beispiel das Gutachten von Forensic Architecture, in die Beweisaufnahme mit ein.
Die SPD-Fraktion hofft nun in den nächsten Sitzungen des Untersuchungsausschusses, in denen es um die Kernthemen „Notruf und Notausgang“ gehen wird, auf wichtige Erkenntnisse.
Uns beschäftigt weiterhin die Frage, ob der Tod von Vili-Viorel Păun und sogar der zweite Tatort hätten verhindert werden können, wenn der Notruf für alle Anrufer in der Tatnacht erreichbar gewesen wäre. Dass aufgrund Personalmangels und einer nicht vorhandenen Weiterleitung der Notrufe eine Nichterreichbarkeit bestand, war bis hinauf zum zuständigen Polizeipräsidenten bekannt. Demnach steht ein Verschulden in der Organisation einer effektiven und sicheren Gefahrenabwehr in diesem Punkt bereits jetzt fest. Dafür verdienen die Angehörigen ein Fehlerbekenntnis und eine öffentliche Entschuldigung. Wir sind darüber erschüttert, dass bis zum heutigen Tage der hessische Innenminister Beuth nicht das aufrichtige Gespräch mit den Angehörigen und Überlebenden gesucht hat und sich auch nicht für Fehler, die passiert sind, entschuldigt.